Samstag, 2. März 2019

Am 12. und 13 Februar 2019 fand der Marsch des Lebens von Anklam über Greifswald ​ nach Stralsund statt. Etwa 30 Personen legten an diesen zwei Tage die einzelnen Etappen, der insgesamt etwa 80 km langen Strecke zurück.



Anlass für diesen Marsch war, dass 79 Jahre zuvor nämlich am 12. Februar 1940 etwas in Deutschland geschehen war, was niemand in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts für möglich gehalten hätte. An diesem Tag wurden viele Juden aus Vorpommern verhaftet und noch in der Nacht nach Stettin gebracht. Darunter waren auch 12 Anklamer, 4 Greifswalder und 34 Stralsunder. Am Morgen des 13. Februar wurden sie in das sogenannte „Generalgouvernement“ ​ gebracht. Nach 3 Tagen Fahrt kam der Deportationszug am 16.2.40 in Lublin an. Die Menschen wurden auf die die Ghettos von Piaski, Belzyce und Glusk verteilt. Ein großer Teil war jedoch nach den Strapazen des Transports direkt in das Lubliner Spital eingewiesen worden, in dem noch am Tag der Ankunft 10 Verstorbene registriert wurden. Innerhalb nur eines Monats starben 80 Personen, am Ende des Krieges waren nicht einmal 20 der im Februar deportierten Juden noch am Leben. ​ Diese Deportation war die erste Deportation von jüdischen Personen und Familien aus Deutschland.

Zumindest die dänische Zeitung Politiken berichtete am 17. Februar ziemlich detailreich über diese Aktion. Es gab ein weltweite Entsetzen über das Vorgehen der Deutschen. Die Nacht und Nebelaktion konnte also nicht geheim gehalten werden, aber einen Aufschrei der Empörung der laut genug gewesen wäre um die systematische Tötung von 6 Millionen Juden zu stoppen, gab es nicht. ​ Nicht im Ausland und noch weniger in Deutschland. Der größte Teil der Welt allen voran Deutschland hatte sich zum Wegschauen und fürs Schweigen entschieden. Mit dem Marsch des Lebens von Anklam über Greifswald nach Stralsund, ​ wollten die Teilnehmenden an diese Deportationen erinnern, ein Forum für Versöhnung bieten und ein Zeichen setzen gegen modernen Antisemitismus und für Israel.

Bei der Eröffnungsveranstaltung am 12.2.2019 in Anklam an dem Platz, wo von 1840 bis 1940 die Synagoge gestanden hatte, begrüßte der Anklamer Ortsvorsteher Andreas Brüsch die Teilnehmer und bedankte sich dafür, dass die der Marsch des Lebens auch die Hansestadt Anklam mit einbezogen hatte. Weil der moderne Antisemitismus und der Rassismus keine überwundenen Probleme der Vergangenheit sind, sei es auch heute wichtig sich dagegen zu erheben und an das Geschehene zu erinnern. ​ Dr. Hornburg, Leiter des Steintormuseums in Anklam wies in seiner historischen Einführung darauf hin, dass die 1840 in Anklam gegründete Gemeinde mit 200 Mitgliedern einst zu den größten Gemeinden in Vorpommern gehört hatte. Manfred Schreiber merkte an,dass dass Juden in Anklam auch schon vor der Nazizeit verfolgt und getötet worden seien und wir nicht schweigen dürften über die Schuld unserer Väter. Das wurde anschließend Petra Hennig, Monika Krause und dem mehrfachen Olympiasieger Ralf Schumann konkret. Alle drei berichteten über die Ergebnisse der Recherche der eigenen Familiengeschichte und brachen so dass Schweigen über ihrer Familie.

Bei der Veranstaltung am kommenden Tag in Greifswald beschäftigte sich ​ Dr. Christoph Ehricht Sprecher vom Arbeitskreis Judentum und Kirche im pommerschen Kirchenkreis mit ​ der Frage: “Wie Nachbarn und Freunde der Deportierten so schweigend zu sehen konnten und tatenlos dem Unrecht seinen Lauf ließen. Heute, so schlussfolgerte Ehricht käme es darauf an, zu sprechen und immer wieder deutlich zu machen, dass wir zwar nicht verantwortlich sind für das was passiert ist, aber verantwortlich dafür, dass so etwas nicht wieder passiert. In die gleiche Richtung ging auch die Rede vom offiziellen Vertreter des Marsch des Lebens Stefan Haas: ​ “Was wäre passiert wäre, wenn die Bevölkerung 1940 nicht geschwiegen hätte und die Gemeinden gegen Antisemitismus aufgestanden wären?”

Höhepunkt der zwei Tage waren der Marsch des Lebens durch die Innenstadt von Stralsund, der am Platz der ehemaligen Synagoge begann und an den bekannten Warenhäusern vorbei führte die einst der Familie Tietz und der Familie Wertheim waren. Unter den Teilnehmenden waren auch Alexej Heister, Präsident der Bundesassoziation der Holocaustüberlebenden aus der Sowjetunion - Phoenix aus der Asche, Landesrabbiner Kadnykov und der parlamentarische Staatssekretär von Vorpommern Patrick Dahlemann. Die Abschlussveranstaltung fand dann in den Räumen der EFG statt. Alle Redner fanden sehr persönliche Worte, um ihre Betroffenheit über die Geschehen im Februar 1940 auszudrücken. Patrick Dahlemann sprach von einem Gefühl des Beschämens, dass er verspürt hatte, als er über die Vorreiterrolle Vorpommerns bei der Deportation von Juden gehört hatte. Vorpommern müsse jetzt auch eine Vorreiterrolle einnehmen, darin, bestimmten politischen Tendenzen stärker als bisher entgegenzutreten. Landesrabbiner Kadnykov betonte wie wichtig es ist gemeinsam ein Zeichen dafür zu setzen, dass es noch Menschen gibt, die sich mit der eigenen und der allgemeine Geschichte auseinandersetzen und eine Lehre daraus ziehen. Den Deportierten, so der Landesrabbiner, habe man damals nichts weiter vorgeworfen, als dass sie einer anderen Religion angehörten oder dass Sie jüdische Eltern hatten. Man könne ein Verbrechen solchen Ausmaßes nicht wieder gut machen, es sei unmöglich Menschen wieder zum Leben zu erwecken oder zerstückelte Schicksale wieder zu reparieren, aber man könne mahnen, dass sich ähnliches in der Zukunft nicht wiederholt.

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